Warum Inselkapitalismus?

Wir wissen alle, dass wir gerade die Erde zerstören. Und damit unsere Zukunft. Und einer der größten Treiber ist der Neoliberalismus, also ein weitgehend zügelloser Kapitalismus im Zusammenspiel mit einer fast grenzenlosen Globalisierung. Aber der Weg führt von hier nicht in die Vergangenheit. Es bringt wenig jetzt alte Konzepte aus der Mottenkiste zu holen, die genauso wenig funktioniert haben.

Der Weg sollte in die Zukunft führen. Damit wir eine haben. In einen klügeren Kapitalismus. Einen, der seine Grenzen kennt und dem Grenzen gesetzt werden. Einen, der sich mit Demokratie verträgt. Einen, der sozial und ökologisch ist. Und ohne permanenten Wachstumszwang. Denn wir leben auf einer Insel. Einer sehr großen Insel zwar, aber doch einer Insel. Also müssen wir uns auch so verhalten.

Aus der Ökologie weiß man, dass jeder Lebensraum eine Umweltkapazität hat. Diese Kapazität hat auch die Erde. Und dies Kapazität müssen wir ermitteln und dann das fair verteilen, was wir haben. Und was wir haben, ist verdammt viel. Genug für ein gutes Leben für alle. Nur nicht genug für die grenzenlose Gier der Wenigen. Wir leben im Paradies. Verlieren wir es nicht. Entwickeln wir es weiter. Machen es besser und schöner für Alle. Denn es gibt nur das eine.

Die Entdeckung des Feuers

Kapitalismus ist das Feuer der Neuzeit. Er bezieht Energie aus Unterschieden und nutzt diese, um immer mehr Waren zu erzeugen und Innovation zu ermöglichen.

Kapitalismus hat aber wie Feuer keine Moral, keine Richtung, keine Grenzen. Er fragt nicht, ob etwas sinnvoll, gut oder zukunftsfähig ist. Smartphones, Waffen, Sklaven, Natur oder Medikamente – alles wird vereinnahmt, alles kann zur Ware werden und wird beständig weiterentwickelt, vermasst und an die angeblichen Bedürfnisse des Verbrauchers angepasst. Kapitalismus brennt dabei grenzenlos weiter, bis alles, was brennen kann, verbraucht ist.

Kapitalismus ist wie Feuer nur ein Werkzeug, und kein Wirtschaftssystem, und damit das vielleicht größte Missverständnis der Menschheitsgeschichte.

Ein kleines Feuer wärmt. Ein großes kann einen Planeten verzehren.

Gut mit Worten

Es gab mal die Idee der sozialen Marktwirtschaft. Kapitalismus als Treiber für ein gutes Leben für alle. Die Idee war nicht perfekt, aber ein guter Anfang. Doch die freie, zügellose Marktwirtschaft brannte heller, auf Kosten der Menschen und des Planeten.

Aber Kapitalismus ist auch gut mit Worten. Werbung ließ die Folgen vergessen, das Morgen verdrängen und die Wünsche wachsen. Immer mehr wurde in das Feuer des Kapitalismus geworfen. Man ließ die Zügel schleifen. Daseinsvorsorge, Wasser-, Strom- und Gesundheitsversorgung: Alles sollte besser und effizienter werden.

Das wurde es auch, für die Besitzer der Firmen – nur leider nicht für die Allgemeinheit. Trotzdem machte man weiter. Ein göttlicher „Markt“ sollte wie von Geisterhand alle Probleme lösen. Wieder dachte man Kapitalismus als System. Aber es war weiter nur ein Werkzeug. Ein Werkzeug, das zunehmend außer Kontrolle geriet.

 

Die Welt ist nicht genug

Als längst die negativen Folgen der Privatisierung zu sehen waren, zündete die Globalisierung die nächste Stufe. Das Feuer wurde jetzt zu einem weltweiten. Alles wurde verzahnt und vernetzt. Ein einfacher Joghurtbecher reiste nun weiter um die Welt als Kolumbus jemals kam.

Der Kapitalismus sollte Freiheit bringen. Menschenrechte. Demokratie. Eine Zeitlang schien das zu stimmen. Aber Kapitalismus hatte noch immer keine Moral. Und so brachte er auch Kriege, Ausbeutung, Naturzerstörung, endlosen Reichtum für einige wenige und den Traum, eines Tages genauso reich zu sein, für die Anderen.

Kapitalismus braucht Unterschiede, um zu brennen. Wenige Reiche brauchen viele Mittellose. Aber Gesellschaften mit zu großen Unterschieden kann auch kein noch so großer Traum mehr zusammenhalten. So zerfallen Demokratien und Freiheit durch missverstandene Liberalität.

Geiler mit weniger

Gerechtigkeit bedeutet gleiche Chancen für alle. Gerechtigkeit auf einer Insel bedeutet aber auch gleichen Anteil für alle. Seit Ewigkeiten zieht es Menschen ans Meer, aber statt den Ort für alle zu erhalten, meinen Einzelne, ihn für sich monopolisieren zu müssen, um endlich zufrieden zu sein.

Wir alle verfolgen ein imaginäres, von falschen Erwartungen gesetztes Ziel, ohne uns zu fragen: Warum? Denn das Ziel ist eine Fata Morgana. Gier ist endlos. Immer steht die Gier der Anderen der eigenen im Weg. Am Ende werden die Reichen von den Superreichen vertrieben.

Zufriedenheit entsteht nicht durch Reichtum. Zufriedenheit ist genug für ein schönes Leben zu haben. Zuviel an Materie bedeutet Arbeit. Jedes Ding will deine Zeit, bis keine mehr übrig ist für Menschen und Gedanken. Glück für alle kann sein, aus dem Anteil, der jedem auf dieser Insel zusteht, das Beste für Dich gemacht zu haben.

Wieviel Ertrag erträgt die Insel

Wir haben das Wissen und die Technologie. Wir können heute berechnen, was diese Insel erträgt. Wir können jedem Produkt einen Klimapreis zuordnen. Wir können berechnen wieviel Treibhausgase jeder Bürger im Jahr ohne katastrophale Folgen ausstoßen kann. Wir können jedem Bürger ein Online-Klimakonto einrichten und pro Kopf ein monatliches Klimaguthaben überweisen. Für jeden gleich.

Bei jedem Kauf muss dann neben Geld auch ein Klimapreis überwiesen werden. Online nicht viel mehr als ein Klick, im Laden um die Ecke ist die Zahlung per Chipkarte problemlos möglich. Wir schleppen 23 Bonuskarten mit uns herum. Wir schaffen auch noch eine zur Rettung der Welt. Grundnahrungsmittel ausgenommen, sonst gilt: Alle ist alle.

Dann muss ich den Nachbarn nicht mehr für seinen Flug nach Bali kritisieren und er mich nicht für meinen Bulli. Und jeder wird für sich optimieren. Denn niemand von uns ist alleine für die Rettung der Welt zuständig. Wir sind es alle.

Macht kaputt, was es kaputt macht

Planwirtschaft ist der Irrglaube, dass der Mensch alles kontrollieren müsste. Freie Marktwirtschaft ist der Irrglaube, dass der Mensch sich selbst nicht kontrollieren müsste.

Schon häufig wurde in der Menschheitsgeschichte auf den „neuen Menschen“ gesetzt. Meist sahen in der Folge alle ziemlich alt aus. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch der vielleicht technisch optimierte Mensch der Zukunft genauso ein Idiot ist wie der heutige – nur intelligenter.

Es gibt immer einen Anteil an Verrückten, die – egal was – übertreiben. Und dazu müssen die größten Dummheiten schlicht verboten sein. Im Kleinen wie im Großen. Waffen, Fleisch aus Quälhaltung, Fracking, Wälder abfackeln, Menschen ausbeuten, Konsumwahnsinn, rassistische Fakenews: Selbstkontrolle ist keine Kontrolle. Sonst können einzelne Egoisten eine ganze Insel in den Abgrund stürzen. Und wir haben nur eine – aber Idioten gibts immer genug.

 

Eine Kultur des konstruktiven Nichttuns

Die größte Freiheit des Menschen ist nicht zu tun – sondern nicht zu tun. Du musst nicht an der Entwicklung der neuesten Landmine mitzuarbeiten. Du musst nicht an der Front kämpfen. Häufig können wir mit dem Nichttun viel mehr Gutes bewirken als wir mit dem Tun jemals Schlechtes reparieren könnten. Denn diese Insel ist begrenzt und verträgt unseren ziellosen Übereifer genauso schlecht wie wir.

Es wird Zeit, das endlich zu erkennen. Wir brauchen eine Kultur des konstruktiven Nichttuns. Wenn du den Job nicht machst, macht ihn vielleicht ein anderer. Aber es gibt weniger Menschen, die ihn machen. Also steigt der Preis.

Denn überzeugtes Nichttun ist das Gegenteil von Faulheit. Es ist selbstbestimmt, macht glücklich und die Entropie ist auf unserer Seite. Dinge nicht kaputt zu machen, ist immer einfacher, als sie zu reparieren. Konstruktives Nichttun ist entspannt und gut für die Welt. Ich bin nur für den Kaffee hier.

Den Buckingham Palace für uns

Aus einer Feudalgesellschaft ist längst ein neuer Geldadel geworden. Es gilt als selbstverständlich Millionen an die Kinder zu vererben, während gleichzeitig Milliarden mittellos ins Leben starten. Wo ist die Fairness darin? Was ist die Lebensleistung daran als Prinzessin geboren zu werden? Wir leben auf einer Insel: Alles was einer hat, hat eine andere nicht.

Und was soll es einer Gesellschaft bringen, wenn die Menschen an den Schaltstellen nicht durch eigene Leistung dorthin kommen, sondern durch die Geburt? Warum akzeptieren wir das? Wenn wir doch eigentlich ein gesellschaftliches Interesse daran haben, dass die wichtigsten Aufgaben auch von den besten Leuten besetzt werden.

Und warum werden offensichtlich gesellschaftlich wichtige Aufgaben wie Krankenpflege, Sozialarbeit und die Landwirtschaft meist armselig bezahlt während Jongleure von Fußbällen oder Finanzderivaten fürstlich entlohnt werden für…ja für was eigentlich?

 

Zeit für ein Kätzchenvideo

Ein gutes System akzeptiert menschliche Fehler. Glück braucht Anarchie und die Chance aus Routinen auszubrechen. Bei einem guten System geht wie im Kätzchenvideo mal eine Vase zu Bruch, aber das Haus fackelt nicht ab.

Mit freier Marktwirtschaft und Globalisierung erlauben wir uns Anarchie genau dort, wo es am gefährlichsten ist. Unternehmen marodieren um den Erdball, beuten fast regellos Rohstoffe aus und überschwemmen den Markt mit Konsumgütern, ohne sich Gedanken über Folgen, Umweltauswirkungen oder Recycling machen zu müssen.

So zerstören wir schon im Regelbetrieb zügig unsere Insel und im Katastrophenfall noch viel schneller. Wir brauchen fehlertolerante Systeme und Technologien, die im Schadensfall kaum Schaden nach sich ziehen. Eine faire Ordnung im Großen, damit Anarchie und freies Denken im Kleinen möglich ist. Nicht anders herum.

 

Zufällige Kontrolle

Es wird immer wieder behauptet kommunale Betriebe und Genossenschaften wären ineffizient und würden Vetternwirtschaft fördern. Dabei sind das keine singulären Eigenschaften dieser Strukturen. Das kann die freie Wirtschaft auch alles, nur ist die besser in der Eigenwerbung.

Kommunale Betriebe im ganzen Land halten die Grundversorgung am Laufen und Genossenschaften dämpfen z.B. in Wien erfolgreich den Wohnungsmarkt. Und ihre potentiellen Risiken sind einfach zu bekämpfen: mit Zufall.

Warum nicht regelmäßig die Bücher und Abrechnungen von zwei zufällig zugeordneten Prüfern kontrollieren lassen? Zuordnung der Prüfer durch zwei unterschiedliche Organisationen an zwei unterschiedlichen Orten. Wer immer wieder von zwei zufällig Ausgewählten geprüft wird, gibt die Beeinflussung früher oder später auf.

 

Kontrollierter Zufall

Und der Zufall kann noch viel mehr. Warum nicht bei wichtigen Entscheidungen einen Bürgerkreis einsetzen? Ein zufällig zusammengesetzter Querschnitt der Bevölkerung. Auch hier wieder mit einem transparenten Verfahren an zwei Orten unabhängig kontrolliert gezogen.

Der Bürgerkreis setzt sich zwei Wochen zusammen, entscheidet selbst welche Experten er zu dem Thema einlädt, und gibt schließlich nach reiflicher Überlegung eine Erklärung ab. Und wird natürlich für die Zeit und den Aufwand entlohnt. Alles wird aufgezeichnet und transparent gemacht.

Volksentscheidungen tendieren dazu, Schlachten des Populismus zu werden, aber zufällig zusammengesetzte und gründlich informierte Bürgerkreise können Debatten entschärfen und ein Empowerment bewirken. Das ist keine bloße Theorie. In Irland wird dieses Modell erfolgreich eingesetzt. Und plötzlich kann jeder Politik auf der Insel machen.

 

Heute ein Vorbild

Nichts tötet jede Utopie erfolgreicher als der Nihilismus des „Was können wir schon bewirken?“ Nur: Wie sind all die großen Bewegungen der Geschichte entstanden? Wie konnte Kant die Aufklärung mitbegründen und Martin Luther King die Tür für ein Ende der Segregation aufschlagen? Und heute: Wie hat das angeblich sinnlose EEG in Deutschland einen Boom der Erneuerbaren Energien auf der ganzen Welt ausgelöst?

Die Dummheit der Menschen ist nicht grenzenlos. Wir wollen schon ein gutes Leben. Und nichts ist mächtiger als zu sehen, dass jemand anders es hat. Genau dieselbe Strahlkraft, die derzeit der hedonistische Neoliberalismus entwickelt, kann auch eine andere Utopie bekommen. Wenn ich sehe, dass mein Nachbar ein schönes, entspanntes und freies Leben nach klaren Regeln hat, dann will ich das auch. Seien wir doch ein wehrhaftes Vorbild. Mehr klar und entschieden als Hippie. Aber mit guter Laune. Und guter Musik.

 

Ich will auf die Insel!

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